Ein neuer Politik-Stil, bitte!

Nach dem Rezo-Video denkt die CDU darüber nach, selbst Influencer zu engagieren. Und zeigt damit, dass sie’s nicht begriffen hat.

Ich habe lange überlegt, ob ich was zum Rezo-Video „Die Zerstörung der CDU“ sage. Mach ich jetzt: Cooles Ding. Wer’s noch nicht getan hat: Anschauen. So neu waren mir die meisten Inhalte nicht, aber die geballte Ladung ist trotzdem beeindruckend. Und die Wirkung erst recht.

Mehr als beeindruckt war dann auch die Angegriffene selbst, die CDU/CSU. Vor allem war man geschockt, plötzlich die Meinungshoheit verloren zu haben. Entsprechend hilflos bis dumm die Reaktionen. Einige waren sich nicht zu blöd, in Trump’scher Manier von Fake News und Verschwörung zu blöken, AKK redete von „Meinungsmache“. Peinlich.

Beleidigte Leberwürste

Pikiert reagierten auch die etablierten Medien, allen voran die Presse. Zum einen, weil da einer mit „ihrem“ Kernthema Politik mehr Aufmerksamkeit bekam – und damit mehr Einnahmen. Zum anderen, weil sie plötzlich die Deutungshoheit verloren hatten. Und so haben auch deren eilig erstellen Faktenchecks etwas Peinliches. Man ist etwas zu sehr bemüht, Fehler zu finden. Die gibt es zwar, aber nur wenige, was bei der Menge schon erstaunlich ist.

Und einige Fehler sind gar keine. Beispiel Bildungsausgaben: Die sind laut OECD unterdurchschnittlich, gemessen am Bruttosozialprodukt. Aber Deutschland gibt pro Schüler und Student wesentlich mehr aus als andere Länder, moniert die FAZ. Stimmt. Dafür sind aber die Lehrergehälter die zweithöchsten aller Länder, was sich wesentlich auf die Pro-Schülerkopf-Kosten auswirkt.

Neuer Politik-Stil

In der Union sinniert man indes über die nächsten Schritte. Im Kern steht da vor allem, wie man junge Leute besser erreichen kann. Eine Social-Media-Strategie muss her. Eigene Influencer aufbauen. Parteivorstandssitzungen in Echtzeit streamen. Wow!

Sollen sie machen. Ich fürchte nur, sie ändern nur ihren Präsentationsstil. Nötig wäre aber ein neuer Politik-Stil. Nicht mehr dieses Arm in Arm mit der Wirtschaft (hallo, Frau Klöckner). Dieses Rumgemauschel mit den Lobbyisten. Dieser Freiwillige-Selbstverpflichtungs-Selbstbetrug. Dieses Das-eine-sagen-aber-das-andere-tun. Dieses Scheiße-für-Gold-verkaufen.

Des Kaisers neue Kleider

Klar, es gibt auch CDU-Stimmen, die einen „inhaltlichen Neuanfang“ anmahnen, wie Christian Bäumler, der Vize des Arbeitnehmerflügels, dem Handelsblatt sagte. Schön. Ein richtiger Schritt dahin wäre mal ein Lobbyregister, damit jeder klar sehen kann, wer da Einfluss nimmt. Dagegen hat sich die die CDU/CSU bis dato immer vehement gesträubt.

Aber vielleicht weht der neue Wind ja bald an der Union vorbei. Vielleicht war Rezo ja das lang ersehnte Kind, das allen gezeigt hat, dass der Kaiser nackt ist. Vielleicht können bald andere beweisen, dass ein anderer, ein neuer Politik-Stil möglich ist. Offener, transparenter, aufrichtiger, demokratischer. Und, wenn möglich, auch ein bisschen lustiger.