Unwort des Jahres: Alternative Fakten

Da ist es wieder, das Unwort des Jahres, gekürt von der Jury der sprachkritischen Aktion „Unwort des Jahres.“

„Mit diesem Ausdruck werden Falschbehauptungen salonfähig gemacht und mit Tatsachenbehauptungen auf eine Stufe gehoben“ so die Unwort-Jury. Die ausführliche Begründung finden Sie hier. Es ist ja nicht so, dass uns solches Sprachverhalten nicht schon vorher auf den Senkel gegangen wäre. Aber jetzt haben wir endlich auch eine griffige Bezeichnung dafür. Ein richtig „böses, beleidigendes Wort“, wie schon das Grimmsche Wörterbuch „Unwort“ definierte.

Vom Unwort zur Gewohnheit

Nun ist die Wirkung solcher Sprachkritik sehr begrenzt. Die Sprachgemeinschaft wirft fröhlich weiter um sich mit Unwörtern früherer Jahre: Kollateralschaden (1999), Ich-AG (2002), Herdprämie (2007), Notleidende Banken (2008), Alternativlos (2010) – immer wieder zu hören, und das nicht nur ironisch.

Das gilt umso mehr für die Unwörter der Shortlist: Gewinnwarnung, Abweichler, Neiddebatte, Klimaneutral, Flexibilisierung, Integrationsverweigerer. Um nur einige zu nennen. Und zwar in eben dem Zusammenhang, der von der Jury kritisiert wurde.

Der Zusammenhang ist allerdings wichtig. Ohne den ist ein Begriff wie „Alternative Fakten“ vielleicht gar nicht böse, sondern allenfalls doof. Aber aus dem Munde von Kellyanne Conway, Beraterin von US-Präsident Donald Trump, bekommt das natürlich ein anderes Gewicht.

Andere Länder, andere Unwörter

Gleiches gilt für „Fake news“, 2017 gekürt von der American Dialect Society. Das war zwar schon 2016 im Gespräch, bekam aber erst durch Präsident Trump die heutige Wucht. Allerdings ist es hier kein Unwort, sondern einfach „Word of the Year“. Vermutlich gibt es das schöne Wort „Unwort“ im Englischen nicht.

Dafür gibt es eine ganze Reihe weiterer Kategorien, z. B. „Euphemism of the Year“ – und hier landete „Alternative facts“ auf Platz 1. Schön auch die Kategorien „most likely to succeed“ (fake news), „most useful“ (die by suicide) und „wtf word of the year“ (covfefe).

Die Kategorie „hashtag of the year“ (#MeToo) dürfte ziemlich neu sein: „#hashtag“ selbst war Word of the Year 2012.

Auch in Deutschland gibt es mehrere Kategorien, allerdings nicht unter dem Dach einer einzigen Institution. So wird das „Wort des Jahres“ von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) gekürt (2017: Jamaika-Aus). Ein Team der Börse Düsseldorf wiederum ermittelt das „Börsen-Unwort des Jahres“ (2017: Bitcoin Boom). Wobei nicht ganz klar ist, wie das Ermitteln vonstatten geht.

Das Ö-Wort

Sehr transparent dagegen die Wort-Wahl in Österreich. Wort des Jahres 2017: „Vollholler“. Heißt so viel wie: völliger Unsinn. Hier kümmert sich die Forschungsstelle Österreichisches Deutsch drum. Und auch hier gibt es mehrere Kategorien.

Unwort ist, wie in Deutschland, „Alternative Fakten“. Ich finde Platz 2 allerdings netter: Registrierkassensicherheitsverordnung. Neben dem Jugendwort und dem Spruch des Jahres kürt man auch den „Un-Spruch des Jahres“. Platz 1 2017: „Ein Satz noch …“

Ein Satz noch: In der US-Kategorie „most likely to succeed“ 2012 reichte es nicht für Platz 1 – und ist heute trotzdem in aller Munde: Big data.