Ist Werbung Manipulation?

Wenn fremde Kräfte versuchen, uns ihren Willen aufzuzwingen, spricht man von Manipulation. Und bei Manipulation fällt uns zuerst immer Werbung ein. Dabei ist das noch eine harmlose Form, sollte man meinen.

Vor einiger Zeit bekam ich bei meinen Besuchen auf Facebook immer Werbung für „Individuelles Mopsfutter“ angezeigt. Natürlich hab ich das nicht angeklickt. Weil ich das erstens aus Prinzip nicht mache und zweitens keinen Mops habe. Facebook wollte mir damit wohl auch was ganz anderes sagen: dass es nämlich viel sinnvoller wäre, wenn sie mir Werbung zeigen dürften, die auf meine Bedürfnisse zielt. Das hab ich ihnen nämlich nicht erlaubt. Schöner Versuch der Manipulation.

Brauch ich das?

Nun ist ja „Bedürfnisse“ schon gelogen und der Anfang der Manipulation. Denn das, worauf sie gerne zielen würden, sind nicht meine Bedürfnisse – ich brauche nicht viel und bin darum ein schlechter Jünger des Kapitalismus’. Nein, sie zielen auf meine Schwachstelle. Besser gesagt, auf die „Stelle“, bei der ich schwach werde, den Triggerpoint.

Nun ist der Triggerpoint bei jedem ein anderer. Klassische Werbung – TV-Spots, Radio, Anzeigen – kann den nicht sehr gezielt ansteuern, sondern nur die Zielgruppe mehr oder minder genau eingrenzen. Aber es bleibt ein Gieskannenprinzip. Dagegen kann ich mich relativ leicht wehren. Das meiste interessiert mich eh nicht, beim Rest frage ich mich einfach: Brauche ich das wirklich?

Will haben!

Okay, zugegeben, Werbung zielt genau darauf ab, diese Frage auszuschalten – oder vielmehr auszutauschen. Es soll eben nicht mehr darum gehen, etwas zu brauchen, sondern etwas haben zu wollen. Ich will das dann eben. Will mehr PS. Will neues Smartphone. Will rauchen. Klingt wie freier Wille. Ist aber meistens das Gegenteil, nämlich ziemlich triebgesteuert.

Natürlich redet sich mancher auch ein, das wirklich zu brauchen. Mehr PS, damit ich den Trecker auf der Landstraße schneller überholen kann. Neues Smartphone, damit ich noch besser kommunizieren kann. Rauchen, damit ich besser entspannen kann. Zur Manipulation gehört eben auch die Illusion. Also der Trugschluss der Manipulierten, ihre Entscheidung rational und unabhängig getroffen zu haben. Also das Gekaufte wirklich zu brauchen oder es frei zu wollen. Wer sich die Analyse mal in Hardcore geben will, kann gerne „Der eindimensionale Mensch“ von Herbert Marcuse lesen.

Teil des Systems

Mit Sicherheit unterliege auch ich der ein oder anderen Illusion. Welche das sind, kann ich nicht sagen, das liegt in der Natur der Sache. Keine Illusionen mache ich mir allerdings darüber, dass Facebook und Co. nicht wüssten, was mein schwacher Punkt ist. So wie die Machthaber in Orwells „1984“ wissen, was für jede Person „das Schrecklichste der Welt“ ist, angesichts dessen sie alles gesteht, widerruft und verrät.

Nun gut, man will mich nicht foltern. Big Data ist nicht Big Brother. Man will nur mein Bestes, das ist in ihren Augen mein Geld. Trotzdem – oder gerade deswegen – muss ich ihnen das ja nicht auch noch erlauben. Und außerdem: Nie mehr so skurrile Anzeigen wie die für individuelles Mopsfutter? Was wäre das für ein Verlust!