Aufgeklärte Mediennutzung vs. Manipulation

Eine aufgeklärte Mediennutzung ist das beste Mittel, um sich gegen Manipulation zu wappnen. Aber das ist gar nicht mal so einfach.

Kennen Sie noch die „Freie Presse“? Das war mal die auflagenstärkste Tageszeitung der DDR. „Frei“ musste hier wohl verstanden werden als „frei von westlich-imperialistischen Einflüssen“. Mit unserem Verständnis von freier Presse hatte das sicherlich nichts zu tun. Allerdings: Wie frei ist denn unsere Presse, sind unsere Medien denn heutzutage?

Raus aus der Medienblase

Die Medien kommen immer so daher, als hätten sie die Weisheit gepachtet. Das ist aber natürlich Unfug. Ein Medium präsentiert immer nur eine Sichtweise. Wer also z. B. nur den „Spiegel“ liest, hat ein „Spiegel“-Bild der Welt. Wer nur die „Bild“ liest, sieht die Welt im „Bild“-Spiegel. Und Internet-Nutzende hängen gerne in der eigenen Filterblase.

Aufgeklärte Mediennutzung bedeutet daher zuerst, sich das klarzumachen – und dann dagegen anzugehen. Zum Beispiel, Medien aus verschiedenen weltanschaulichen Ecken zu nutzen, sagen wir: taz und „F.A.Z.“

Wissen, wer es macht

Zum Aufgeklärtsein gehört aber auch zu fragen, wer denn dahinter steckt. Und da kann einem schon mal mulmig werden. Denn den Großteil des deutschen Medienkuchens teilen sich drei Große: Springer, Bertelsmann und Burda. Alle in Familienhand. Das sollte sich klarmachen, wer beispielsweise „Die Welt“ liest (Springer), RTL schaut (Bertelsmann) oder auf den Seiten der deutschen Huffington Post surft (Burda).

Natürlich schreiben die Familien die Inhalte nicht selbst. Aber die Chefredakteure werden schon darauf achten, dass alles im Sinne ihrer Eigentümer gestaltet ist. Sprich: entweder deren Reichtum fördert oder dessen Zuwachs zumindest nicht behindert. Auch nachzuhören in diesem Beitrag von Volker Pispers – Vorsicht: nur eine Sicht und nur zum Teil die meine.

Macht macht Meinung

Ab und an machen diese Familien auch ganz unverhohlen Meinung. Die Bild-Zeitung steht hier an erster Stelle. Ein fieses Beispiel ist auch das RTL-Format „Mario Barth deckt auf!“. Hauptsächlich stellt die Sendung angebliche Fälle von Steuerverschwendung an den Pranger. Klingt wie investigativer Journalismus. Die Recherche hat allerdings schon der Bund der Steuerzahler erledigt. Der wiederum vertritt vornehmlich die Interessen von mittelständischen Unternehmern und bestverdienenden Angestellten.

Die Inhalte mögen korrekt sein, nur die Schlussfolgerung ist es nicht. Die lautet nämlich: Das Geld wird verschwendet, weil der Staat es tut. Als würde in Unternehmen kein Geld verschwendet – Menschen machen Fehler, mit welchem Geld auch immer. Klar, das muss man benennen. Das tun ja auch die Rechnungshöfe, übrigens regierungsunabhängig.

Die Barth-Sendung aber schürt, interessengelenkt, Empörung: Der Staat verschwendet Geld, Skandal! Man kann ihm kein Geld anvertrauen, schon gar nicht noch mehr Geld. Wenn also öffentliche Kassen klamm sind, dann bitteschön erst mal die Verschwendung eindämmen oder eben sparen, sparen, sparen. Kurz: Steuern zahlen ist doof. Ist das noch Mediennutzung oder schon Medienmissbrauch?

Was heißt schon unabhängig

Mit dem Großteil der übrigen Presse ist es nicht besser: alles in privater Hand. Nun ist „unabhängig“ nur ein Wort. Wenn steinreiche Familien die Besitzer sind und große Konzerne die Werbekunden, bedeutet das noch nicht, dass nicht kritisch berichtet wird. Mitunter liegt der Marktvorteil einer Zeitung in ihrer journalistischen Qualität und Unabhängigkeit. Bei Süddeutscher Zeitung und „Die Zeit“ möchte ich das annehmen – und auch beim „Spiegel“, trotz 25,5%-Anteil von Bertelsmann.

Sehr wenige Zeitungen sind wirtschaftlich völlig unabhängig. Mir fällt nur die taz ein. Auch die Frankfurter Allgemeine gehört – über eine Stiftung – nur sich selbst. Hier bleibt nur eine gewisse Abhängigkeit von Werbeeinnahmen.

Und dann wäre da noch …

Ach ja, das Internet. Auch hier tummeln sich schon die großen Medien, siehe Huffington Post. Und bei vielen Akteuren ist nicht zu erkennen, wer dahinter steckt. Wie soll da aufgeklärte Mediennutzung funktionieren? Genau wie offline: Ruhe bewahren, vergleichen und nicht über jedes Stöckchen springen.

Und dann wären da noch die öffentlich-rechtlichen Programme, vielgescholten und vielgeschmäht. Staatsfunk, staatlich gelenkt, so schallt es nicht nur vom rechten Rand her. Aber der Vorwurf ist Blödsinn. Ja, es gibt sie, die Einflüsse und Beeinflussungsversuche von politischer Seite. Trotzdem sind ARD und ZDF finanziell unabhängig – dank unserer Gebühren. Und die Vielzahl auch regierungskritischer Berichte lassen mich doch sehr an einer staatlichen Lenkung zweifeln. Sehr hörenswert: die Radio-Features von WDR5 Dok5 und Deutschlandfunk Das Feature.

Der Rest der Freien Presse

Übrigens: Es gibt sie noch, die „Freie Presse“, noch immer die größte Abo-Zeitung Sachsens. Nach der Wende wurde sie von der Treuhand quasi unter der Hand verscherbelt – an die CDU-nahe Medien Union, die auch mit 18,5 % an der Süddeutschen Zeitung beteiligt ist. Mehrheitseigner ist Dieter Schaub, mit geschätzten 1,1 Milliarden US-Dollar Vermögen einer der 100 reichsten Deutschen. Schaub ist ein Spezi von Helmut Kohl gewesen, der sich für den Zuschlag stark gemacht hatte. Alte Ludwigshafener Seilschaften sozusagen. Aufgedeckt hat den Deal übrigens der Spiegel.