Wortmacht, Machtwort

In der Regel macht man sich ja weniger Gedanken darüber, wo Worte herkommen. Oder dass sie überhaupt „gemacht“ werden – und damit zum regelrechten Machtwort werden.

Ein populäres Beispiel für ein solches Machtwort ist „Handy“. Die Faszination, die von diesem Gerät ausging, war einfach zu groß, als dass man über den Wortsinn gegrübelt hätte. Zum Glück erfuhr ich noch rechtzeitig vor einem Trip nach London, dass dort Mobiltelefone nicht handlich sind, sondern „mobile“ heißen. Wo aber nun der Begriff herkommt, ist nicht abschließend zu klären.

Sprach- und Machtspiele

Das gilt für auch für eine weniger harmlose Begriffe. Worte, die unsere Meinung und die politischen Entscheidungen beeinflussen wollen. Ein böses Beispiel dafür sind jene Worte, die eine hohe Zahl von Flüchtlingen mit  Naturkatastrophen gleichsetzt. Wie „Flüchtlingsflut“ oder, ganz übel, „Flüchtlingstsunami“. Einer solchen Naturgewalt muss man natürlich weder Mitgefühl noch Hilfe entgegenbringen, im Gegenteil, man muss sich dagegen wehren.

Zum Glück existiert im politischem Raum eine hohe Sensibilität für derart krassen Sprachmissbrauch. Aber es gibt auch deutlich subtilere Wendungen – die aber nicht weniger heikel sind. Beispielsweise „muslimischer Antisemitismus“.

Unterm Radar

An diesem Begriff ist eigentlich Donald Trump Schuld: Seine Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels sorgte für zahlreiche Proteste. Und in der Berichterstattung darüber war dann eben irgendwann von „muslimischem Antisemitismus“ die Rede.

Mir war direkt ein wenig unwohl beim Lesen. Klingt ja erstmal harmlos, jeder weiß, was gemeint ist. Das Perfide bei dieser Wendung sind die unterschwelligen Bedeutungen. Denn zum einen impliziert sie, dass dieser Antisemitismus religiös fundiert ist (steht aber nicht im Koran) und damit alle Muslime Antisemiten sind (was auch nicht stimmt).

Zum anderen koppelt der Begriff die Tat von den Akteuren ab. Das macht „muslimischen Antisemitismus“ zu einer Art natürlichen Gegebenheit. Und die kann man weder anzweifeln noch beheben, ähnlich wie obige Naturkatastrophen. Sowas lässt sich natürlich weitaus besser instrumentalisieren als „Muslime, die sich antisemitisch äußern“. Und ist ja auch so schön griffig.

Wachsam bleiben

Kein Wunder also, dass viele Leute solche Worte ohne großes Nachdenken übernehmen. Das gilt ja selbst für Begriffe, die ihre Absicht offen zur Schau stellen, wie „Big Data“. Man hätte die Verarbeitung großer Datenmengen ja auch „Bulk Data“ oder „Mass Data“ nennen können. Aber irgendein gescheiter Witzbold hat sich für „Big Data“ entschieden. Und wenn Sie George Orwells „1984“ kennen, können Sie sich schnell den richtigen Reim drauf machen.

Übrigens: Das erste deutsche „Handy“ hat die Firma Daimon schon 1937 als Warenzeichen eintragen lassen – für eine Taschenlampe. In diesem Sinne: Ein erleuchtetes 2018!