Mit Sorgfalt gegen Katastrophen

Mangelnde Sorgfalt und Präzision in der Technik kann Menschenleben kosten. Bei Texten leidet zumindest die Glaubwürdigkeit. Oder Ihr Ruf.

Manche unter Ihnen werden sich noch an das Jahr 1986 erinnern. Es war das „Internationale Jahr des Friedens“, Michail Gorbatschow verkündete Glasnost und Perestroika und die Saatkrähe war Vogel des Jahres.

Und sonst? Der Reaktorblock 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl explodierte, ein Großbrand bei der Firma Sandoz verseuchte den Rhein und Kurt Waldheim wurde zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt. Ach ja, ich habe in diesem Jahr mein Abitur gemacht.

Ground control to Major Tom

Eine der dümmsten Katastrophen passierte schon im Januar: die Explosion der Raumfähre Challenger. Dumm, weil sie einfach vermeidbar gewesen wäre. Kurz rekapituliert: Ursache der Explosion war der Ausfall eines Dichtungsrings einer Feststoffrakete. Grund für den Ausfall waren die frostigen Außentemperaturen in der Nacht vor dem Start.

Das Problem der Dichtungen bei niedrigen Temperaturen war bekannt. Ein Ingenieur der Feststoffraketen-Firma machte seine Chefs auf die Gefahr aufmerksam: Eine Explosion beim Start sei wahrscheinlich, er empfahl dringend den Abbruch. Die Manager entschieden sich, den Kunden NASA nicht verlieren zu wollen, empfahlen den Start und sieben Menschen verloren ihr Leben.

If shit can happen …

In der Challenger-Katastrophe zeigte sich Murphy’s law in Reinform.  Es gab mehr als eine wahrscheinliche Möglichkeit, wie die Sache ausgehen konnte: Erfolg, Abbruch, Explosion. Eine der Möglichkeiten war eine unerwünschte Konsequenz. Und die trat ein.

«If there’s more than one possible outcome of a job or task, and one of those outcomes will result in disaster or an undesirable consequence, then somebody will do it that way.»
Edward A. Murphy

Kommas und andere Katastrophen

Nun ist es natürlich gewagt, eine solche Katastrophe mit einem unrunden Text zu vergleichen. Sehr, sehr selten kommt jemand durch fehlerhafte Texte ums Leben. Es sei denn, Sie zählen Programmcodes und Gerichtsurteile auch zu den Texten. Dennoch offenbart sich hier das gleiche Prinzip.

In meinen Anfangsjahren als Texter ist mir das nicht nur einmal passiert: Eine Textstelle, mit der ich nicht ganz zufrieden war, ein Komma, von dem ich nicht sicher war, ob es da hingehört. Musste aber raus und ich dachte: Wird schon keiner merken. Falsch gedacht. Irgendjemand ist immer angekommen und hat den Finger in genau diese Wunde gelegt. Aua. Heute, aus Schaden klug geworden, passiert mir das seltener.

Andere scheinen da schmerzfreier zu sein, wenn ich mir den Unsinn so durchlese, der mitunter verzapft wird. Oder fehlt da die Kontrolle? Womöglich haben die Verantwortlichen gar keine Zeit mehr zum Lesen, weil sie ihre Instagram-Profile pflegen müssen. Die Leserschaft ärgert sich zwar, wehrt sich aber nur, wenn’s ganz arg ist, z.B. frauenfeindlich oder rassistisch oder sonst wie doof. Haut dann aber umso doller zurück, aka Shitstorm.

Die Rache der Assistentin

Das merkt dann auch die Chefetage , denkt, Scheiße, warum hab ich davon nichts gewusst, macht hier eigentlich jeder, was er will? Laura, kümmern Sie sich bitte darum, ich muss zu einem Termin.

Sie kriegen’s also mit der Assistentin zu tun. Die ist eigentlich ganz in Ordnung, hat Humor und so, ist aber zu intelligent für den Job. Und weil sie wegen Ihnen jetzt Überstunden machen muss, und zwar am Wochenende, hat sie ziemlich die Kappe auf.

Das heißt, die macht sie richtig lang und zieht auch noch ganz alte Kisten aus dem Archiv. Seien Sie froh, wenn Sie nur den Job verlieren und nicht am Ende noch eine Millionenklage am Hals haben. Geht in Deutschland nicht, ich weiß, aber weil die Firma eine Tochter in den USA hat, mit der Sie mal, Sie erinnern sich, ja?

Check, check …

Heißt also: Lieber nochmal nachfeilen, bis es Ihnen gut und richtig erscheint. Am besten noch mal eine Nacht drüber schlafen. Am allerbesten einen Experten lesen lassen. Wenn der sagt: „Nicht starten“ – Start abbrechen, könnte explodieren.