Schweizer Kuriositäten des Alltags

Das mitunter seltsame Eigenleben unserer südlichen Nachbarn am Beispiel eines Schokoriegels

Schon des Öfteren habe ich ja von den sprachlichen Besonderheiten im Lande Helvetiens berichtet. Der selbstbewusste Eigensinn, der sich hier offenbart, zeigt sich natürlich auch in anderen Dingen. Dazu müssen Sie nur einmal in einen Supermarkt gehen, z. B. ans Schoggi-Regal. Suchen Sie dort nicht nach den berühmten Schweizer Schokoladenspezialitäten, die Sie so kennen. Greifen Sie stattdessen zu einem ganz normalen heimischen Schokoriegel: Kägi fret.

Schoko de luxe

Dabei ist „normal“ schon mal falsch, „Schokoriegel“ erst recht, auch wenn es in Riegelform daherkommt. Die korrekte Bezeichnung laut Verpackung ist „feinste Schweizer Schokoladenwaffel“. Am besten stellen Sie sich eine Art KitKat in größer, leichter und – Achtung: Geschmackssache! – leckerer vor. Eben posh Schwiiz.

Kägi fret Riegel
Kägi fret, schon angefressen

 

Hinten auf der Packung lässt Hersteller Kägi daran übrigens keinen Zweifel. Dort steht:

– Exquisites Geschmackserlebnis
– Schweizer Herkunft
– Verantwortungsvolle Beschaffung

Gutes Gewissen gibt’s also obendrauf. Nicht weniger selbstbewusst kommt dann auch der Claim daher: „Glück ist ein Kägi“. Da weiß man, was man hat.

Kägi was?

So weit, so gut. Aber was zum Henker heißt „fret“? Wikipedia kennt es als Abkürzung für „Förster resonance energy transfer„. Klingt nicht besonders lecker. Obwohl: Energy transfer würde ja irgendwie passen. Aber es geht wohl eher um die Energieübertragung zwischen Farbmolekülen, z.B. bei der Photosynthese. Und für Pflanzen ist der Riegel ja nicht gedacht.

Im Englischen ist fret ein „Bundstäbchen“ oder „Bund“ bei Zupfinstrumenten wie Gitarre oder Mandoline. Das würde von der Form her irgendwie passen. Aber englisch?

Im Französischen, was den Schweizern näherliegt, bedeutet es „Fracht, Ware“. Klingt nicht besonders sexy. Die Sprachregion ist aber schon richtig, nur halt das Wort nicht. Auf den Geschichtsseiten des Unternehmens erfahren wir, dass es von „gaufrette“ kommt, dem französischen Wort für „Waffel“. Die Erfinder haben das Wort einfach mal schweiztauglich gekürzt.

Heimatwitz

Auch wenn das Unternehmen mittlerweile nicht mehr im Besitz der Kägi-Familie ist: Produziert wird seit Gründung 1934 immer noch im Toggenburg. Diese Heimatverbundenheit findet sich natürlich auch auf der Verpackung wieder mit der Silhouette der Churfirsten, dem Wahrzeichen der Region. Die haben nun nichts mit „Kurfürsten“ zu tun, auch wenn man es fast so ausspricht. Es ist vielmehr eine Reihe von Firsten, also eine Bergkette, in den Appenzeller Alpen auf der ehemaligen Grenze zu Chur.

Nun werden Sie vielleicht auf dem Kägi-Papier ein romantisches Bergpanorama erwarten. Kennt man ja von diversen deutschen Schokoladen, die so gern auf Alpenromantik machen. Doch auch hier werden Sie es typisch Schweizerisch vorfinden: dezent und geistreich. Auf der Seite stilisiert und klein, auf der Rückseite im EAN-Code. Eben immer etwas anders, als man erwartet, die Schweiz.

Die Silhouette der Churfirsten als EAN-Code
Churfirsten-EAN

 

PS: Sollten Sie da „Wien“ auf der Packung lesen: Das ist die Adresse für den EU-Kontakt.

PPS: Bezahlt werd ich von denen nicht, noch nicht mal in Naturalien.

PPPS: Hatte gerade den zweiten Barren als Nachtisch.