Unlauter geht meist ganz leise

Dabei hat „unlauter“ laut Duden nichts mit Lautstärke zu tun. Oder doch?

Neulich meinte die Stimme aus dem Frühstücksradio: Menschen, die Daten sammelten, täten das „nicht immer mit den besten Absichten“. Ich stutzte. Irgendetwas stimmte mit der Formulierung nicht. „Unlauter“, dachte ich spontan. Aber man sagt doch: „mit besten Absichten“, oder nicht? Wieso kam mir dann die Verneinung so falsch vor? Verwirrung. Erst mal in Ruhe Kaffee trinken.

Koffein hilft, zumindest mir. Also: „nicht mit den besten Absichten“ ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Unstimmig, sozusagen. „Mit besten Absichten“ beurteilt man im Nachhinein ein Tun, dass das Gute will, das Böse schafft, um den Goethe mal umzudrehen. Also beispielsweise E-Scooter zulassen (auf Deutsch widersinniger Weise Elektro-Tretroller genannt, also Tretroller, bei dem man nicht mehr treten muss, außer beim Start).

Unlauter geht die Welt zugrunde

Also E-Scooter: Da haben sich die Verantwortlichen gedacht: Prima Sache, dann fahren die Leute statt mit dem Auto mit der Bahn zur Arbeit. Die letzte Meile – gemeint war vermutlich die englische Meile von rund 1,6 Kilometern, obwohl es vor dem metrischen System rund 60 Definitionen für die Meile gab zwischen 1,5 und 11 Kilometern – die letzte Meile also können sie ja jetzt problemlos auf dem sausenden Stangenbrett zurücklegen. Saubere Innenstadtluft, sauberes Klima, saubere Weste, juppidu!

Nun werden Sie sagen, dass das vielleicht etwas blauäugig war. Dass nicht die letzte Meile in der Großstadt das Problem ist, sondern die ersten zehn Meilen, die der pendelnde Mensch in Hintertupfingen zum Bahnhof zurücklegen muss. Oder die letzte Bahn, die fast immer verspätet ist, so dass einem der letzte Bus vor der Nase wegfährt. Oder überhaupt der ÖPNV. Oder oder oder. Jedenfalls werden die Dinger eher von Touristen und Partygängern bewegt als von Letztmeilern. Ansonsten stehen sie überall herum, nicht selten im Weg, sind alles andere als klimafreundlich, dafür unfallträchtig, und lösen erst recht kein Problem, das vorher eh keins war.

Lauter unlautere Leute

Das Beste, was man jetzt noch über die Verantwortlichen sagen kann, dass sie mit besten Absichten gehandelt haben. Sprich: guten Willens, aber doof. Moment, werden Sie einwenden, das Argument war doch eh nur vorgeschoben, weil – die Gründe denken Sie sich jetzt mal selbst. Jedenfalls: alles Lug und Trug. Was Sie aber dann nicht sagen können, also rein stilistisch: „Die Verantwortlich haben nicht mit den besten Absichten gehandelt.“

Der Punkt ist, dass „mit besten Absichten“ eine feststehende Wendung darstellt. Und wie das bei festen Wendungen so ist, hängt da immer ein ganzer Rucksack an Zusammenhang und Beiklang mit dran. Und der ist weg, wenn man die feste Wendung aufstemmt und beispielweise ein „nicht“ einschiebt. Ähnlich wie bei der Formulierung „er hat sich stets bemüht“.

Geläuterte Gesinnungen

Richtig wäre z.B. „nicht mit lauteren Absichten“ oder kurz: „unlauter“. Mit „laut“ im Sinne von „nicht leise“ hat das übrigens nichts zu tun. Oder nicht mehr viel. Die indogermanischen Wurzeln sind bei beiden immerhin ähnlich. In allem klingt etwas von der Klarheit und Reinheit, die sowohl einer lauten Stimme wie auch einer lauteren Gesinnung eigen ist. Von der Wortgruppe gibt’s übrigens noch mehr, hier lose in einen Satz gepackt:

„In Leuthen läutern laut Lauterbach lauter laute lautere Leute Gold.“

Das ist wiederum nicht unlauter, sondern Unsinn. Für das Läuten bemühen Sie bitte den Leutnant von Leuthen. Muss ich aber nicht weiter erläutern, oder?

PS: Die Laute spielt in diesem Lautkonzert nicht mit. Die kommt, wie so vieles in unserer Kultur, auch wörtlich aus dem Orient.