Verdammt gute Story

Storytelling – mal wieder so ein Schlagwort, derzeit in aller Munde. Aber mal ehrlich: Das ist ein alter Hut. Ein ganz alter.

Storytelling, zu Deutsch: Geschichten erzählen. Da wird mir grad mal ein bisschen zu viel herumgeblubbert. Besonders Werbe- und Marketing-Fuzzis tragen’s vor sich her, als wär’s das neue Evangelium. Wenn man dann nachfragt, was dahinter steckt, merkt man schnell: Das ist so alt wie die vier Evangelien des Neuen Testaments selbst. Mindestens.

Erfolgsrezept Storytelling

Zugegeben: Das Konzept war auch damals schon ziemlich erfolgreich. Die Verfasser wussten aber auch, wie’s funktioniert. Schon das Intro geht ans Herz. So sehr, dass es sich in unserer heutigen Zeit fast schon vom Rest abgelöst hat. Immerhin, zu Weihnachten sind die Kirchen noch voll.

Verantwortlich für den weltweiten Erfolg ist allerdings weniger der Anfang mit der Geburt – die übrigens nur zwei der vier Evangelien erwähnen. Nein, der Schluss mit der Auferstehung war es, der diese Story zum Blockbuster machte. Und zwar Jahrhunderte lang.

Zielgruppengerecht erzählen

Um das aus heutiger Wohlstandssicht zu verstehen, muss man sich die damalige Situation unter römischer Fremdherrschaft vor Augen führen. Das war nicht gerade ein Zuckerschlecken. Wie ohnehin das ganze Leben eher von der harten, kurzen Sorte war. Den Tod zu überwinden hatte da einen ganz anderen Stellenwert, nicht nur einen kosmetischen, wie in „Der Tod steht ihr gut“.

Aber nicht nur die Story selbst, auch die vier Versionen waren jeweils nochmal auf unterschiedliche Zielgruppen zugeschnitten: Matthäus für Judenchristen, Markus für Heidenchristen, Lukas für Gebildete beider Gruppen und Johannes für schon sattelfeste Christen.

Fortsetzung folgt

Wegen des großen Erfolgs sah man sich sogar genötigt, eine Fortsetzung zu planen. Leider konnte man den Protagonisten von Teil 1 nicht dazu überreden, eine weitere Heldenreise anzutreten. Herausgekommen ist daher nur ein Trailer, damals Prophezeiung genannt, unter dem Titel „Offenbarung des Johannes“. Aber auch die sprach der unterdrückten und mittlerweile verfolgten Zielgruppe aus dem Herzen.

Was die Herzen heutiger Zielgruppen bewegt, ist wohl weniger lebensbedrohlich. Jene der Mercedes X-Klasse scheinen vor allem gelangweilt zu sein. Jedenfalls verspricht der Werbespot zum Gefährt Erlösung von solcher Langeweile. Etwas überladen, das Ganze. Vielleicht hat man ja Storytelling mit Content verwechselt. Noch so ein Schlagwort … aber das ist eine andere Geschichte.