Einfach schreiben – oder auch nicht

Wenn es gute Gründe fürs einfach Schreiben gibt: Warum tut’s dann nicht jeder? Eine gute Frage für den 4. und letzten Teil der kleinen Sommerserie.

Vielleicht haben Sie es ja bemerkt: Das Layout meines Blogs hat sich geändert. Genauer gesagt: die Hintergrundfarbe. Weil sich schwarz auf weiß einfach besser lesen lässt. Das ist nur konsequent, weil ich ja ständig bessere Lesbarkeit einfordere. Und darum auch zum einfachen Schreiben animiere. Aber warum eigentlich?

Warum einfach schreiben …

In Teil 1 der kleinen Sommerserie habe ich die Frage aufgeworfen, warum nicht nur Werbesprache einfach sein sollte. Den besonders Aufmerksamen unter Ihnen mag aufgefallen sein, dass ich sie noch gar nicht beantwortet habe. Jedenfalls nicht richtig. Hier jetzt also

4 gute Gründe, warum Sie einfach schreiben sollten:

  • – Weil Ihr Publikum keine Zeit hat für komplizierte Texte.
  • – Weil Ihr Publikum keine Lust hat, sich auch nach Feierabend noch anzustrengen.
  • – Weil nicht alle aus Ihrem Publikum so klug sind wie Sie.
  • – Weil Sie das Thema erschöpfen wollen, nicht Ihr Publikum.

 

… wenn’s auch kompliziert geht?

Möglicherweise fallen Ihnen noch andere gute Gründe ein. Möglicherweise drängt sich Ihnen aber auch eine andere Frage auf: Wenn einfach schreiben so sinnvoll ist, warum tun es dann nicht alle? Ah, ich sehe, Sie stellen die richtigen Fragen. Nämlich solche, die zum Kern des Problems führen. Oder zu den Kernen. Die Ursachen sind nämlich recht vielfältig. Grob unterscheiden kann man zwischen Texten, die unabsichtlich kompliziert sind – und solchen, die gerade schwer verständlich sein sollen.

Fluch des Wissens

Eine der häufigsten Ursachen für komplizierte Texte ist ein gescheiterter Transfer vom Fachjargon ins „Normaldeutsch“. Entweder ist den Schreibenden nicht bewusst, dass das Kauderwelsch aus Fachbegriffen und Abkürzungen für andere völlig unverständlich ist – also für andere außerhalb der Firma oder des Labors oder des Hobbykellers. Oder den Verfassern fehlen schlicht die Worte. Schließlich muss ein Fachtext regelrecht übersetzt werden, damit daraus z. B. eine verständliche Bedienungsanleitung wird.

Auch bedenken viele nicht, dass „die da draußen“ nicht das gleiche Wissen haben wie man selbst. Der amerikanische Psychologe und Thomas-Gottschalk-Lookalike Steven Pinker nennt das den „Curse of Knowledge“.
Und zuguterletzt ist Schreiben auch nicht jedermanns Sache. Es soll dafür sogar Fachleute geben.

Heilung möglich

Die gute Nachricht: Diese Art des kompliziert Schreibens ist heilbar. Eine gute Übung der Selbst-Therapie: Versuchen Sie das, was Sie geschrieben haben, einem zehnjährigen Kind zu erklären. Oder Ihrer Putzfrau oder dem Mann am Gemüsestand.

In deutschen Amtsstuben hat sich übrigens  schon ein Bewusstsein dafür entwickelt, wie notwendig einfach Schreiben ist. Jedenfalls war mein letzter Brief vom Amt – „Ihr neuer Personalausweis ist da“ – schon recht gut lesbar. Da fruchtet offenbar das Engagement des Bundesministerium für Arbeit und Soziales und vom „Netzwerk für Leichte Sprache“.

Angst und Macht

Die andere Seite, die mutwillig komplizierte, ist dagegen schwerer zu kurieren. Denn wer absichtlich schwer verständlich schreibt, hat dafür schwerwiegende Gründe. Einer dieser Gründe ist die Angst, nicht ernst genommen zu werden. Da wird der Ton dann gern mal „offizieller“. Schnell erwächst daraus auch Imponiergehabe.

Das ist unter anderem eine Unart an deutschen Universitäten, wie auch Serge Debrebant in einem lesenswerten Artikel für Die Zeit darlegt. Lieblingssatz daraus: „Unverständlichkeit erzeugt Gedanken-Amöben, die die Neugier fressen und intellektuelles Ödland hinterlassen.“ Auch nicht gerade einfach, der Satz. Das liegt an den vielen Bildern. Aber immerhin klingt’s sehr nach Literatur – und die darf ja auch schon mal absichtlich schwierig sein. Kunst eben.

Betrügerische Tendenzen

Weniger akzeptabel sind da die unappetitlich komplizierten Texte. Beispielsweise Briefe vom Anwalt, vom Abmahnverein oder vom Inkassobüro. Solche sind meist darauf aus, den Leser einzuschüchtern. Das tun sie nicht nur mit Strafandrohungen, sondern auch über die Sprache – gerade dann, wenn die Drohung wenig Substanz hat. Denn was wir nicht verstehen, macht uns Angst. Die Grenze zum Betrug ist hier fließend.

Diese Grenze berühren meines Erachtens auch viele vertragsrelevante Texte wie Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Bedingungen von Versicherungsverträgen. Und das nicht nur mit einer umständlichen Sprache: Auch das Layout ist mit hellgrau auf weiß alles andere als lesefreundlich – Lesen unerwünscht. Da haben Sie’s mit meinem neuen Layout hoffentlich leichter.