Einfach schreiben, Wort für Wort

Im 3. Teil der Sommerserie „Einfach schreiben“ begeben wir uns heute auf die Wortebene. Oder einfacher lesbar: auf die Wort-Ebene.

Eines meiner Lieblingsworte im Deutschen ist „Milchmädchen“. Es trägt noch den mattweißen Glanz jener vergangenen Zeiten, aus denen es stammt. Grammatikalisch handelt es sich um ein Kompositum, auch Zusammensetzung oder Doppelwort genannt. Leider ist diese ehemalige Schlüsselfigur der Milchversorgung heute nur noch in der „Milchmädchenrechnung“ bekannt. Das ist nicht nur negativ, sondern streng genommen auch kein Doppelwort mehr, sondern ein Mehrfachkompositum. Und da wird’s dann haarig.

Im Englischen stehen die Teile eines solchen Wortes meist unverbunden nebeneinander, wie beim „Detective Chief Inspector“. Der deutsche Kriminalhauptkommissar ist da zwar deutlich kompakter – aber leider auch schwerer lesbar. Und das sind ja nur drei Teile. Vier oder mehr Teile, im Englischen unschicklich, sind im Deutschen keine Seltenheit.

Bandwurmwörter

Der berühmte Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän dürfte allen bekannt sein. Den hat es wirklich gegeben und ist sogar als Tango vertont worden. Jüngeren Datums ist das Rindfleisch­etikettierungsüberwachungs­aufgaben­übertragungs­gesetz aus Mecklenburg-Vorpommern – kein Scherz! Tatsächlich veröffentlicht wurde es dann als „Gesetz zur Übertragung der Aufgaben für die Überwachung der Rinderkennzeichnung und Rindfleischetikettierung“. Das ist etwas leichter verständlich. Der amtliche Kurztitel lautete dann aber „Rinderkennzeichnungs- und Rindfleisch­etikettierungs­überwachungs­aufgaben­übertragungs­gesetz.“

Bindestriche setzen

Sie erkennen das Problem: Einfach lesbar sind solche Worte nicht. Abhilfe schafft da der Bindestrich. Dessen Einsatz hat der Duden gottlob liberalisiert. Sprich: Wenn es der Lesbarkeit dient, setzen Sie einen. Und zwar nicht erst ab vier Teilen. Faustregel: Wörter mit fünf Silben und mehr kritisch überprüfen, ob ein Bindestrich nicht besser wäre. Sie können also selbst entscheiden, ob Sie Ihrem Publikum z. B. den „Telefonbucheintrag“ zumuten können – oder lieber „Telefonbuch-Eintrag“ schreiben.

Gewusst wo!

Bei manchen Worten empfiehlt der Duden den Bindestrich sogar dringend:

1. Wenn zwei Bedeutungen möglich sind
Zum Beispiel sind Streikende Menschen, die bis zum Streikende streiken. Oder eindeutiger: bis zum Streik-Ende. Auch bei „Staubecken“ sollten Sie deutlich machen, ob Sie nun Stau-Becken oder Staub-Ecken meinen.

2. Wenn Konsonanten aufeinanderprallen
Beispielsweise bei „Programm-Manager“ oder „Kunststoff-Fenster“. Aber Vorsicht! Wenn Sie das doppelte „st“ von Kunststoff auch für problematisch halten: nicht trennen. Denn ein Kunststoff-Stopfen ist was anderes als ein Kunst-Stoffstopfen.

Einfache Worte

Wenn wir schon mal auf der Wort-Ebene sind: Hier können Sie noch mehr vereinfachen. Für viele Wörter gibt es leichtere Synonyme, also Worte mit gleicher Bedeutung. Das ist für die meisten Fachbegriffe der Fall. So ist z. B. die Influenza eine echte Grippe und ein Kompositum ein Doppelwort. Aber auch viele normale Wörter haben schlichtere Geschwister: jedoch – aber, bereits – schon, Exempel – Beispiel. Manchmal gibt es auch eine regelrechte Großfamilie, wie bei futtern, essen, speisen, dinieren. Gut, die sind nicht alle exakt gleich in ihrer Bedeutung – auch wenn sie auf dasselbe hinauslaufen.

Das Publikum entscheidet

Wann Sie welches Wort einsetzen, ist letztlich eine Stilfrage. Entscheidend ist, wie Sie bei Ihrem Publikum ankommen möchten. Mit Ihrem besten Kumpel können Sie auch in der gehobenen Gastronomie futtern. Der dortige Kellner wird Sie aber zumindest fragen, ob Sie im Salon oder im Wintergarten speisen möchten. In einigen Sterne-Restaurants pflegt man sogar zu dinieren. Sicher sind solche Lokale aber ohne Bindestrich schwerer verdaulich.

Zum einfach Merken fürs einfach Schreiben:
– Wörter ab fünf Silben trennen
– Fremd- und Fachwörter vermeiden
– Einfache Worte verwenden
– Im Zweifel den Fachmann fragen