Achtung! Wichtig!! Echt!!!

Der Hang zur Verstärkung ist nicht nur in der Werbung zu beobachten. Das nervt; aber nicht immer.

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass Singvögel in der Großstadt lauter singen als auf dem Land? Das ist sogar wissenschaftlich belegt und nur logisch: Wo es rundherum brummt und lärmt, muss man eben stärker tönen, um auf sich aufmerksam zu machen. Gleiches ist auch beim Homo Sapiens zu beobachten. Offenbar fürchten wir, nicht gehört zu werden und brüllen in Mobiltelefone und in die Gegend.

Exclamitis

In der Schriftsprache setzt sich das fort. Überall hagelt es Ausrufezeichen, vor allem in der Werbung. Ich frag meine Kunden dann immer, ob sie ihre Kunden auch anschreien, wenn sie direkt vor ihnen stehen. Ausrufezeichen kennzeichnen – wie der Name schon sagt – einen Ausruf: Vorsicht! Wahnsinn! Oho! Aber hinter einer ganz normalen Aufforderung haben sie nichts zu suchen. Hinter einem ganz normalen Satz schon gar nichts. Ein solcher sollte für sich schon genug Kraft haben, um zu wirken.

Natürlich, schlimmer geht immer. Fettsatz, Unterstreichung, Schrift größer und noch größer und womöglich noch rot – bei manchen Werbemitteln weiß man gar nicht, wo man zuerst hingucken soll. Als schrie überall jemand um Hilfe. Da wissen Sie auch nicht, zum wem Sie zuerst sollen. Hätten Sie mal im Erste-Hilfe-Kurs aufgepasst. Dann gingen Sie zu dem, der zwar noch lebt, aber nicht mehr schreien kann.

Der Punkt ist: Wenn man glaubt, etwas verstärken zu müssen, ist vorher schon was schiefgelaufen. Entweder ist der Satz zu schlapp oder der Gesamttext zu lang. Kürzen ist immer ein probates Mittel. Wenn am Ende das wirklich Wichtige stehen bleibt, brauchen Sie kein Ausrufezeichen mehr.

Super, superer, am supersten

Okay, leichter gesagt als getan. Im täglichen Sprechen ohnehin schier unmöglich. Manchmal brauchen wir sie einfach, diese unsinnigen Verstärker. „Ganz ehrlich“, „ich persönlich“, „zu Ihrer vollsten Zufriedenheit“.

Überhaupt: Superlative! Auch wenn sich das Wort gar nicht sinnvoll steigern lässt. Das nennt man auch schon mal Hyperlativ ­– klingt schlau, ist aber trotzdem Quatsch. Bekanntestes Beispiel: das Einzigste. Unfug und darum auch vom Duden verboten, weil einziger als einzig gar nicht geht. Oder: das Optimalste. Weil „optimal“ „bestens“ bedeutet und damit schon ein Superlativ ist. Lässt sich aber, weil ein Fremdwort, nicht sofort erkennen. Gleiche Sparte: „ideal“.

Von diesen sogenannten Absolutadjektiven gibt es eine ganze Menge. Nun kommt man nicht bei allen auf die Idee, sie steigern zu wollen. „Dreieckig“, „schwanger“ oder „lauwarm“ zum Beispiel. Heikler wiederum: „leer“ und „voll“, siehe oben. Voller als voll geht eben nicht. Wenn doch, war’s vorher gelogen, weil eben nur fast voll. Da es aber offenbar Bedarf gibt, hat man andere Möglichkeiten gefunden. Besser sind die nicht, im Gegenteil. Zum Beispiel „vollumfänglich“. Was für ein Geblubber!

Rührend falsch

Dann doch lieber richtig falsch. Wobei das ja nicht immer doof ist. Mitunter setzen wir unmögliche Steigerungen gezielt ein. Berühmtes Beispiel: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher.“ George Orwell: „Farm der Tiere“.

Oder diese Anekdote: Ein Gast in einem ambitionierten Restaurant beschwert sich beim Maitre, dass sein Steak nicht durchgebraten sei. Der Maitre also, in seiner Gourmet-Ehre gekränkt, mit dem Steak zurück in die Küche, zum Koch: „Nochmal.“ Der fragt: „Tot?“ Der Maitre: „Toter als tot.“
Keine Ahnung, aus welchem Film oder welcher Reportage das ist. Ich weiß auch nicht, was sonst so passiert ist. Aber diese Szene ist mir im Gedächtnis geblieben.

Genauso wie der abschließende Satz einer Todesanzeige, die ich jüngst in der Zeitung fand:
„Wir haben Dich unendlich geliebt. Wir werden Dich noch unendlicher vermissen.“

Manchmal ist falsch eben einfach richtiger.