Kann ich es essen?

Urfragen leiten unsere Entscheidungen. Sagen Verhaltensforscher. Und denken dabei oft zu egoistisch.

Autoreifen sind schwarz, stinken nach Gummi und sehen alle gleich aus. Außer, sie sind von Pirelli, dann räkelt sich eine eher weniger bekleidete Frau darauf und Sie können sie gratis vernaschen; und nicht nur die! In Scharen werden sich Ihnen attraktive, begattungswillige Damen auf die Motorhaube oder eben vor die Pirellis werfen, sobald Sie nur mit diesen Schluppen vorfahren.

Okay, Scherz beiseite, wir wissen, dass Frauen sich nicht die Bohne für Reifen interessieren, die Kalender werden nur an handverlesene Partner verschenkt und genießen mittlerweile Kultstatus. Trotzdem sind sie ein schönes Beispiel dafür, dass Werbung dann funktioniert, wenn sie sich der Urfragen bedient. Und die sind: „Kann ich es essen?“, „Ist es gefährlich?“, „Kann ich Sex damit haben?“.

Die drei habe ich nach einigen Recherchen gefunden. Aber fehlt da nicht was? Irgendwie schien mir dieser Blick auf unsere Spezies etwas zu egozentrisch, selbst die dritte wird modern ja damit übersetzt, ob ich meine Gene weitergeben kann – nicht die meiner Sippe oder meiner Ahnen. Sind wir also alle einsam in dieser Welt? Und nicht soziale Wesen? Und wieso funktioniert dann Werbung mit Kindern und Tierbabys? Die ersten drei Fragen verbieten sich ja wohl. Und sind nicht schon unsere evolutionsgeschichtlichen Urahnen soziale Wesen, muss es also nicht auch „Urfragen“ mit sozialer Komponente geben?

Hier ist eine: „Braucht es meine Hilfe?“ Aus diesem Grund funktioniert Werbung mit Kindern und kleinen Tieren. Eine zweite: „Gefällt es meinem Nächsten?“ Also meiner Familie, meinen Freunden, meinen Nachbarn etc. Was andere über uns denken, ist für uns von fundamentaler Bedeutung. Und darum ist diese Urfrage für unsere Entscheidungen die mächtigste, die alle anderen dominieren kann. Sie bringt uns Menschen z. B. dazu, keine Delphine zu essen, sich trotz der Todesgefahr in die Schlacht zu werfen, keine Minderjährigen zu verführen oder ein Ehrenamt zu übernehmen. Oder Kalender mit nackten Frauen nicht einfach nur als Pornografie, sondern als Kunst anzusehen, schließlich sagen andere auch, dass es Kunst sei. Geil finden kann man das ja trotzdem.