Am Aschermittwoch ist alles vorbei

„Am Aschermittwoch ist alles vorbei“, sang Jupp Schmitz schon 1953. Allerdings gilt das nur fürs Karnevalfeiern. Und das auch nicht überall.

Ach ja, der Aschermittwoch. Vorbei die schönen Tage der Ausschweifungen, des Saufens und der Völlerei. Jetzt beginnt die Fastenzeit. Und wem haben wir das mal wieder zu verdanken? Genau, dem Jesus.

So steht’s geschrieben in Matthäus, Kapitel 4: Jesus ging in die Wüste und fastete 40 Tage, bekam dann aber doch Hunger. Da versuchte ihn der Satan zu versuchen. Jesus aber sprach: „Der Mensch lebt nicht von Brot allein.“ Worauf Woody Allen später ergänzte: „Ab und zu braucht er einen Drink.“

Am Aschermittwoch geht’s los

Dem nachzueifern, führte die Kirche eine vierzigtägige Fastenzeit ein, zurückgerechnet vom Ostersonntag. Den religiösen Hintergrund nehmen allerdings immer weniger Menschen ernst. Dagegen finden es immer mehr Menschen wieder hip, ab Aschermittwoch etwas sein zu lassen – aus ganz profanen Gründen.

Gewicht verlieren, gesünder leben, zu sich selbst finden. Oder einfach mal auf was verzichten, das man eigentlich mag, aber in Routine verblasst ist. Beispielsweise Facebook, Modelleisenbahn oder Sex. Da kann man sich dann auch ohne Religion wieder richtig auf Ostern freuen.

Intervall-Fasten 1.0

Ah, die Mathe-Genies unter Ihnen schnipsen schon ungeduldig mit dem Finger. Ja, korrekt, von Aschermittwoch bis Ostersonntag sind es 46 Tage. Das liegt daran, dass die Kirchenbosse irgendwann mal gesagt haben: 40 Tage fasten, das hält ja kein Mensch aus, der nicht Sohn Gottes ist. Also haben sie die sechs Sonntage der Fastenzeit vom Fasten ausgenommen. Um aber doch auf die 40 zu kommen, haben sie die sechs Tage vorne wieder angehängt. Damit war die erste Form des Intervall-Fastens geboren.

Solche Rechentricks fanden aber nicht alle gut. Zum Beispiel die aufrechten Basler. Und darum fängt dort die Fasnacht (bitte ohne t nach dem s) erst am Montag nach Aschermittwoch an. Wenn Sie also noch nicht genug vom Feiern haben, auf nach Basel! Aber bitte ohne Kostüm.

How to Fasnacht

Zuallererst müssen Sie wissen, dass die Basler Fasnacht sehr anders ist als der rheinische Karneval. Sich öffentlich zu betrinken ist genauso verpönt wie sich zu verkleiden. Letzteres ist den Aktiven vorbehalten, also denen, die in den Cliquen (Karnevalsvereinen) organisiert sind, Musik machen oder Dinge vom Wagen werfen. Das Fasnachts-Comité hat dazu sogar ein Dos and Don‘ts veröffentlicht.

Langweilig wird einem trotzdem nicht. Die Larven (Masken) und Kostüme sind überaus fantasievoll, der Cortège (Umzug) politisch bissig und die Musik gut, abwechslungsreich und handgemacht bzw. mundgeblasen. Man wird prächtig unterhalten und muss sich auch nichts schöntrinken. Wenn Sie aber unbedingt mitmachen wollen: Vollkostüm und Larve anziehen, Trommel oder Piccoloflöte spielen und durch die Gassen ziehen.

Blaggedde!

Aktiv oder nicht: Was Sie unbedingt VORHER brauchen, ist eine aktuelle Blaggedde (Plakette). Damit wird ein Teil der Fasnacht finanziert. Es reicht die Kupfer-Variante der Brosche für 9 Franken. Wenn Sie mehr investieren wollen: Es gibt auch noch Silber (18 CHF), Gold (45 CHF) und Bijou (100 CHF). Zu kaufen gibt’s die Dinger ganz offiziell „uff dr Gass“ von fliegenden Händlern, die das auch lautstark anpreisen. Eine Blaggedde ist zwar nicht Pflicht, aber Ehrensache. Und wenn Sie keine tragen, kann es schnell passieren, dass Sie beim Cortège von einem Waggis mit Räppli (Konfetti) vollgestopft werden.

Räppli werfende Waggis

 

Räppli

Natürlich ist das Basler Räppli nicht irgendein Konfetti, sondern die Mutter aller Konfetti. Zumindest, wenn man lokalen Historikern glauben möchte. Tatsache ist, dass wohl nirgendwo sonst soviel von dem Zeugs verstreut, geworfen, geschossen und gestopft wird. Meist auf oder in ahnungslose Touristen. Ein weicher, zentimeterhoher Teppich bedeckt weite Teile der Innenstadt. Und noch Tage später fallen einem aus irgendwelchen Kleiderfalten Nachzügler dieser bunten Papierschnipsel.

Morgestraich!

Das volle Programm kriegen Sie übrigens nur als Frühaufsteher oder Durchmacher. Start der Fasnacht ist nämlich der Morgestraich am frühen Montagmorgen. Um Schlag 4:00 Uhr gehen alle Lichter in Basel aus, und die Cliquen stimmen das Morgestraich-Motto an, mehr oder weniger synchron, mit Trommeln und Piccolos.

Beleuchtet wird das Ganze nur von den großen Motiv-Laternen und den Kopflaternen der Aktiven. Geht definitiv durch Mark und Bein. Und darum gehört der Morgestraich auf meine persönliche „Liste der 100 Dinge, die ich unbedingt noch machen müsste, wenn ich es nicht schon getan hätte.“

Mogestraich!

 

Ändstraich!

Das geht dann 72 Stunden lang mit verschiedenen Programmpunkten bis zum Ändstraich. Der letzte Zug davor ist dann ähnlich wehmütig wie das Aschermittwochslied oder die Nubbelverbrennung in Köln. So ein Ende ist eben doch nicht ganz so lustig, auch ohne Aschermittwoch.

Ach, die Mathe-Genies wieder. Ja, ja, vom Ändstraich-Donnerstag bis Ostersonntag sind’s nur 38 Tage. Nein, da haben sich die Basler nicht verrechnet. Das sollten Sie von einem Schweizer nicht mal im Ansatz denken. Nein, sie haben sich nur zwei Tage als Zins einbehalten. Und mal ehrlich, 40 Tage fasten, das hält ja kein Mensch aus.

Nachtrag: Hier ein paar Fotos vom Morgenstraich und Cortège 2019.