Freut euch – aber nicht zu sehr

Floskelhafte Freude ist vor allem in Anschreiben sehr beliebt. Allerdings ist sie selten angebracht, selbst wenn sie ehrlich gemeint ist.

Kürzlich habe ich etwas im Internet bestellt. Bei einem Fabrikanten, der auch einen Online-Shop betreibt. Schon bald informierte man mich in einer Mail:

„Sehr geehrter Herr Adams, wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass Ihr Artikel versandt wurde.“

Ei der Daus, dachte ich, was muss das doch für ein fideles Unternehmen sein, bei dem man sich schon über eine solche Kleinigkeit freut. Wenn bereits das Mitteilen derart Freude bereitet, welche Glücksgefühle löst dann erst das Versenden selbst aus? Und gar erst die Herstellung des Artikels? Und das war ja nur ein vergleichweise kleines Produkt. Gar nicht auszumalen wage ich mir die emotionalen Höheflüge beim Verkauf größerer Waren! Ich stelle mir vor, wie sich ganze Abteilungen in ekstatischem Freudentaumel auf der Auslegeware des Büros wälzen. Womöglich ist sogar mit Orgasmen zu rechnen.

Schon war ich drauf und dran, zum Hörer zu greifen, um mich bei diesem Unternehmen zu bewerben – egal als was: Texter, Verpacker, Laufbursche. Allein das Versenden der Mails würde mir genügend Freude für den Rest meines Lebens bereiten, bis in meinen Ruhestand hinein. So viel, dass ich selbst noch im Armenheim für Demenzkranke selig lächelnd meinen Lebensabend verdämmern könnte.

Nun, etwas ließ mich innehalten – ich kenne mich dann doch zu gut. Nicht, dass ich soviel Freude nicht vertragen könnte. Aber vermutlich hätte ich nicht mit meinem neunmalklugen Wissen hinterm Berg halten können. Sehr wahrscheinlich sogar hätte ich bei passender Gelegenheit dem Chef gesagt, dass vielleicht nicht alle da draußen mit so viel Freude umzugehen wüssten. Vermutlich hielten die Kunden solche Gefühlsregungen für übertreiben, wenn nicht gar gelogen. Zudem ist es so, gäbe ich zu bedenken, dass sich nur wenige dafür interessieren, wie ein Versender sich beim Versenden fühlt.

Ich hatte die Szene bildhaft vor Augen. Die Fröhlichkeit im Gesicht des Chefs war steif und dumm geworden wie ein Pudding. „Aber wir freuen uns doch wirklich“, sagte er mit bebender Ungläubigkeit in der Stimme. Doch einmal in Fahrt, ließ ich nicht locker. Wandte ein, dass die Kunden vermutlich sehr egozentrisch wären, wie Könige eben so sind, und gern sich selbst an erster Stelle sähen. Ich schlug eine sehr schlichte Formulierung vor, in etwa: „Ihre Bestellung ist auf dem Weg zu Ihnen.“

Der Chef schüttelte den Kopf. Sein Lächeln war zu einem schiefen Grinsen verrutscht. „Aber wir tun doch alles für unsere Kunden“, sagte er, und nun klang es schon ein wenig verzweifelt. Jetzt tat er mir wirklich leid, ich fühlte mich schlecht und gemein, aber ich konnte mich nicht mehr bremsen. Ja, sagte ich, aber es ist ein Unterschied, ob Sie sagen „Wir tun alles für Sie“ oder „Für Sie tun wir alles“. Der Chef schüttelte weiter fassungslos den Kopf. Ich befürchtete schon, er würde im nächsten Moment auf mich einschlagen. Oder, schlimmer noch, losheulen. Doch er drehte sich einfach um, ließ mich grußlos stehen und ging zur Tür hinaus. „Aber wir freuen uns doch wirklich“ hörte ich ihn noch trotzig rufen. „Wir freuen uns wirklich sehr!“